Zwei Arten der Unternehmensübergabe
Grundsätzlich kann zwischen zwei Arten der Betriebsübergabe unterschieden werden: Vor Abschluss der Jahresrechnung (Locked Box) und nach Abschluss (Completition Accounts). Wesentlicher Unterschied ist der Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung.
Unternehmenskaufverträge können aufgrund der komplexen Art sowie der verschiedenen Interessen von Käufer und Verkäufer sehr umfangreich ausfallen. Ein essentielles Kernstück des Kaufvertrages bilden die Kaufpreisregelungen. Im Zusammenhang mit Kaufpreisregelungen und Unternehmenskaufverträgen ist eine genaue Unterscheidung zwischen Unterzeichnung des Kaufvertrages (Signing), dem Vollzug des Kaufvertrags (Closing) und dem wirtschaftlichen Übergang (Stichtag) zu treffen. Mit der Unterzeichnung des Kaufvertrages ist der Unternehmensverkauf in der Regel noch nicht abgeschlossen, sprich die rechtliche Übertragung nicht vollzogen. Der wirtschaftliche Nutzen kann sowohl vor (also rückwirkend) als auch nach dem Signing auf den Käufer übergehen. Fällt der wirtschaftliche Übergang vor das Signing sind die Finanzkennzahlen bekannt und man kann sich darauf abstützen. Geht der wirtschaftliche Nutzen auf ein Datum nach dem Signing über, fällt der Zeitpunkt zumeist mit dem Closing zusammen und es wird zu diesem Zeitpunkt eine Zwischenbilanz (Completion Accounts) erstellt.
Der Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs ist ausschlaggebend für die Kaufpreisregelungen. Die bekanntesten Kaufpreisregelungen in Unternehmenskaufverträgen sind der Locked Box Mechanismus und der Completion bzw. Closing Accounts Mechanismus, die jeweils auf dem „Cash and debt free”-Konzept basieren. Beim Locked Box Mechanismus liegt der wirtschaftliche Übergang vor, beim Closing Accounts Mechanismus nach dem Signing.
Completion Accounts Mechanismus
Beim Completion Accounts Mechanismus wird im Kaufvertrag lediglich ein Referenzwert als Kaufpreis festgelegt. Der Übergang vom wirtschaftlichen Nutzen und Risiken des Zielunternehmens liegen in der Zukunft – nach dem Signing –, der finale Kaufpreis kann somit noch nicht quantifiziert werden. Im Kaufvertrag wird die Herleitung und die Referenzgrössen des Working Capitals sowie der Nettofinanzverbindlichkeiten festgelegt. Am Stichtag – also zum Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs – wird eine Zwischenbilanz erstellt, die sogenannte Completion Accounts, anhand welcher der endgültige Kaufpreis festgelegt wird. Die vereinbarten Referenzgrössen im Kaufvertrag bilden dabei die Grundlage zur Ermittlung des definitiven Kaufpreises: Die Nettofinanzverbindlichkeiten werden abgezogen und die Differenzen zwischen aktuellem und Referenz-Working-Capital hinzuaddiert.
Je nach Vertragsgestaltung wird bereits beim Closing ein vorläufiger Kaufpreis bezahlt, endgültig abgerechnet wird allerdings erst bei der Einigung auf die zu erstellende Zwischenbilanz. Es kann folglich durchaus zu Kaufpreisanpassungen kommen.
Locked Box Mechanismus
Beim Locked Box Mechanismus ist der wirtschaftliche Übergang vor dem Datum der Vertragsunterzeichnung (Signing). Die erforderlichen Finanzdaten zur Ermittlung der Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) und allfälligen Differenzen zwischen vereinbartem Referenzwert und aktuellem Stand des Working Capitals (betriebsnotwendiges Vermögen) liegen vor. Damit kann im Kaufvertrag der Kaufpreis definitiv quantifiziert werden. Ein zusätzlicher Zwischenabschluss beim Closing entfällt.
Problematisch kann es dann werden, wenn der wirtschaftliche Übergang und das Closing weit auseinanderliegen. Das Unternehmen wird zwischen dem Stichtag und dem Closing vom Verkäufer geführt, die unternehmerische Risiken liegen allerdings beim Käufer. Damit für den Käufer keine Nachteile entstehen wird im Kaufvertrag genau definiert, welche Wertabflüsse erlaubt (permitted leakages) und welche nicht erlaubt sind (leakage protection). Der Handlungsspielraum des Verkäufers wird somit eingeschränkt und es wird sichergestellt, dass das Zielunternehmen zwischen Stichtag und Closing kein unüblicher Geschäftsgang resp. keine aussergewöhnlichen Zahlungsvorgänge stattfinden.
Zusammengefasst
Beim Locked Box Mechanismus steht der finale Kaufpreis im Kaufvertrag fest, eine Zwischenbilanz ist nicht erforderlich und der Prozess dadurch vereinfacht. Zudem reduzieren sich sowohl das Konfliktpotential zwischen Unternehmensverkäufer und -käufer als auch die Transaktionskosten. Da zwischen zurückliegendem Stichtag und Signing eine Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer besteht, trägt der Käufer ein höheres Risiko als beim Completion Accounts Mechanismus, wo der Stichtag in der Zukunft liegt.
Die Due Diligence trägt wesentlich zur Entscheidungsfindung des Käufers bei, welcher Mechanismus bevorzugt wird. Beim Locked Box Mechanismus ist eine sehr umfangreiche Due Diligence zu erwarten, während der Prozess beim Completion Accounts Mechanismus weniger umfassend ausfallen kann.
Ein Locked Box Mechanismus kann von einem Käufer trotz der erhöhten Risiken angestrebt werden, wenn z.B.:
- der Zeitraum zwischen wirtschaftlichem Übergang (Stichtag) und Closing überschaubar ist
- die Geschäftsentwicklung bis zum Closing vorhersehbar ist
- die historischen Finanzinformationen anhand der Due Diligence als belastbar eingestuft werden können
- nur quantifizierbare Risiken vorhanden sind
- ein Share Deal vorliegt
Bildquelle: Ernst & Young