Ein Blick auf die menschlichen Aspekte hinter den Transaktionen (Teil 2/3: Kultur als Instrument zur erfolgreichen Integration: Risiken und Chancen).

 

Teil 1

Kultur als Instrument zur erfolgreichen Integration

Kultur besteht, wie erwähnt, aus den charakteristischen Leistungen und Eigenschaften einer bestimmten Gesellschaft während einer bestimmten Epoche. Kultur besteht aus einer Reihe von impliziten Einflüssen, die teilweise vom Einzelnen nicht klar definiert werden können. Vor jeder M&A wird zwar eine Due Diligence Prüfung durchgeführt; diese konzentriert sich jedoch vornehmlich auf messbare Finanzdaten und weniger auf die Kultur des jeweiligen Unternehmens. Auch wenn verschiedene Kulturen selten zum Canceln einer Fusion oder einer Übernahme führen, so können unterschiedliche Kulturen durchaus zur Untergrabung der angestrebten Ziele führen.

In der auf die Verkaufstransaktion folgenden Integrationsphase oder bereits bei der Due Diligence wird häufig festgestellt, dass die Kulturen der Altunternehmen nicht kompatibel sind. Es liegt nun in der Verantwortung der Geschäftsleitung, einen Konsens zu finden und umzusetzen. Positive Merkmale der jeweiligen Kulturen wie beispielsweise Kundenorientierung, Entschlossenheit, positives und innovatives Denken, Teamgeist und Respekt füreinander werden definiert und die Mitarbeiter motiviert, diese Eigenschaften in ihr tägliches Verhalten zu integrieren. Bisher ungewohnte Verhaltensmuster und Prinzipien, die schwer zu überbrücken sind, werden gemeinsam erobert und gelebt, um das neue Unternehmen zum Erfolg zu führen. Allgemeine Inspirationen auf Werbeträgern wie Plakaten und Büromaterialien können als zusätzliche Motivation und Erinnerung an die gewünschten Attribute dienen.

Welche Rolle spielt die Zeit?

Nach einer Fusion oder einer Betriebsübernahme soll der Geschäftsbetrieb möglichst reibungslos weiterlaufen. Die Integrationsphase ist kurz zu halten, um Gewinneinbussen zu verhindern. Der Zeitdruck bei der Post-Merger-Integration ist oft enorm, so dass der Stellenwert der Kultur häufig unterbewertet wird. Führungskräfte und Mitarbeiter geraten unter Stress, da im Vorfeld der Aspekt einer gemeinsamen Kultur vernachlässigt wurde. In einem solchen Umfeld sind die zuvor gesteckten Ziele nur schwer zu erreichen. Es wird daher geraten, sich bereits im Vorfeld stärker auf den Aspekt der Kultur zu fokussieren, die risikoreichen Punkte bei der Gründung eines integrierten Unternehmens stärker zu identifizieren und möglichst noch vor der Integrationsphase zu reduzieren.

Risiken im Hinblick auf die Integration

Jede Integration birgt unterschiedliche Risiken, die vor der eigentlichen Geschäftsübernahme oder Fusion diskutiert und reduziert, wenn nicht gar behoben werden sollten. Die folgenden Risiken treten häufig bei Transaktionen auf und können als Ausgangspunkt für eine Analyse bezüglich der Kultur verwendet werden:

  • Effektive Zusammenarbeit zwischen den Schnittstellen der Altunternehmen.
  • Kulturelle Differenzen minimieren. Probleme bei gemeinsamem Denken und Handeln im Hinblick auf eine einheitliche Kultur diskutieren und beheben.
  • Etablierung eines neuen, internen Logos oder Labels. Die Mitarbeiter beider Altunternehmen müssen sich mit einer gemeinsamen Marke identifizieren können.
  • Einklang der Kulturen. Zu beachten ist hierbei, ob es sich um eine Fusion gleichgestellter Unternehmen, eine Geschäftsnachfolge oder eine feindliche Übernahme handelt. Sind beide Unternehmen auf einem Level oder ist eines dominierend und bestimmt die Kultur? Ist ein Unternehmen tonangebend, sollten Kultur und Marke für die neuen Mitarbeiter attraktiv gestaltet werden. Bei gleichgestellten Unternehmen ist ein Konsens der Kulturen am einfachsten.

[su_box title=”Kulturen kombinieren: Tom Tailor übernimmt Bonita (2012)” box_color=”#00ccff”]Kulturen kombinieren: Tom Tailor übernimmt Bonita (2012) Beide Unternehmen gelten als Modegiganten in den Top Ten. Sie passen gut zusammen, weil sie grundsätzlich dieselbe Zielgruppe bedienen, ohne sich dabei nennenswert zu überschneiden. Des Weiteren bietet jedes Unternehmen dem anderen Vorteile; sei es bei der Versorgung der Tom Tailor Läden seitens Bonita oder der gemeinsame Einkauf über das Tom Tailor Beschaffungszentrum in Asien. Die Marken bleiben jedoch weiterhin strikt getrennt und die Zusammenarbeit findet hauptsächlich hinter den Kulissen statt. Man verspricht sich ein “langfristiges neues Wachstumsfeld” in einem attraktiven Marktsegment. Finanziell bringt der Zusammenschluss weitere Vorteile: Das neu entstandene Unternehmen erwartet durch die Zusammenarbeit Einsparungen von jährlich 10 Millionen Euro. Mittelfristig wird die Aufnahme in den MDAX-Index der mittelgrossen deutschen Börsenwerte angestrebt.[/su_box]

Das hört sich einfach und logisch an und funktioniert im Idealfall. Aus welchen Gründen dies bei den oben genannten Unternehmen nicht der Fall war und welche Gründe die Zusammenarbeit letztendlich scheitern liessen, ist der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt und kann nur vermutet werden. Fakt ist, dass Tom Tailor sich 2019 von Bonita trennte und Victory & Dreams nach eigener Aussage “ein Weiterführungskonzept für die Marke Bonita” habe.

 

Strenges Programm bei der Integration

Werden zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen zusammengeführt, so ist ein strenges Programm einzuhalten. Nach der Transaktion des Verkaufs soll das neue Unternehmen möglichst schnell gemäss den gesteckten Zielen und Anforderungen funktionieren. Wird der Aspekt der Kultur hier vernachlässigt oder nicht ausreichend gewürdigt, können Probleme bei der Zusammenarbeit der einzelnen Schnittstellen innerhalb des Unternehmens auftreten, die langfristig den Erfolg des Unternehmens verhindern. Um dies zu vermeiden, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Arbeitsablauf im Unternehmen

Kultur sollte eine Hauptkomponente bei der Unternehmensübernahme oder -zusammenführung sein. Kulturelle Differenzen dürfen Arbeitsabläufe nicht verlangsamen. Vielmehr sollte die Zusammenführung der Kulturen als eine Herausforderung angenommen werden, bei der das Mitarbeiterteam eine wesentliche Rolle spielt. Auf diese Weise werden zeitnahe Entscheidungen getroffen und Integrationsziele schneller erreicht.

  • Wer bestimmt die Unternehmenskultur?

Meist bestimmen die Führungskräfte der Altunternehmen die Kultur. Auf regelmässigen Sitzungen sollte erörtert werden, welche Kultur dominant ist und bleiben soll und wie diese zur (neuen) Unternehmensphilosophie passt. Bei zwei gleich starken Unternehmen sollte über eine Vermischung der Kulturen nachgedacht werden, um Fluktuation und Missstimmung in der Belegschaft zu minimieren.

  • Analysen und Definitionen

Klare Ziele werden definiert. Vage Äusserungen und undeutliche Vorstellungen bezüglich der angestrebten Kultur wirken kontraproduktiv. Vielmehr sollten konkrete Beispiele präsentiert werden, die mit den Geschäftsereignissen in direktem Zusammenhang stehen und die die Mitarbeiter umsetzen können. Konkrete Anleitungen zur Verbesserung der Verkaufsstrategie bringen mehr als der Hinweis, dass Teamarbeit erwünscht ist.

  • Stärken beider Kulturen vereinen

Nicht alle Kulturen sind auf den ersten Blick kompatibel. Jedes Altunternehmen lebt im Idealfall die für den Betrieb optimale und bewährte Unternehmenskultur. Fusionieren zwei Unternehmen, werden oft nur die am deutlichsten hervorstechenden Merkmale jeder Kultur ausgewählt, um einen Konsens zu finden. Hier sollten die Unternehmen als Ganzes betrachtet und sowohl Stärken als auch Schwächen zur Formierung einer neuen Kultur betrachtet werden. Ein renommiertes Unternehmen mit gut definierten Prozessen, das ein junges Unternehmen übernimmt, hapert oftmals mit den noch unstrukturierten Marketing- oder Verkaufsstrategien des Start-ups. Das junge Unternehmen verfügt jedoch über weitaus mehr soziale Kontakte und ist Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen. Die Schwäche und Instabilität in der Organisation des Start-ups kann als Stärke im Hinblick auf Flexibilität und Offenheit Neuem gegenüber angesehen werden. Integriert man diese Stärken in die bereits vorhandenen Stärken des erwerbenden Unternehmens, liegen die Vorteile klar auf der Hand. Zwei vollkommen unterschiedliche Unternehmen können durchaus von den Stärken und Schwächen des anderen Unternehmens profitieren, wenn man den Aspekt der Kultur im richtigen Masse in die Zusammenführung integriert.

  • Entscheidungsstil optimieren

Zunächst muss der Entscheidungsstil eines Unternehmens identifiziert werden. Für die Belegschaft eines demokratisch geführten Unternehmens wird die Anpassung an einen diktatorischen Führungs- und Entscheidungsstil schwer, wenn nicht gar unmöglich sein. Der Entscheidungsstil ist oft tief in einem Unternehmen verwurzelt und nicht abrupt umzustellen. Ebenso ist nicht nur die Art, sondern auch die Schnelligkeit des Entscheidungsstils zu beachten. Besonders in der Integrationsphase wird Wert auf schnelle Entscheidungen gelegt, um Kunden und Belegschaft nicht den Eindruck der Unentschlossenheit zu vermitteln. Der Ruf nach Schnelligkeit kann dazu genutzt werden, überfällige und dringend notwendige Entscheidungen zu forcieren und die Betriebsabläufe zu beschleunigen. Es wird dabei Verständnis und Respekt vor dem jeweiligen Entscheidungsstil verlangt; eine Beurteilung mit richtig oder falsch wäre zu kurzsichtig und würde den Prozess der Kulturoptimierung langfristig gesehen blockieren. Es sollte vielmehr auf die unterschiedlichen Entscheidungsstile eingegangen werden, Resultate verschiedener Entscheidungen begutachtet und ein gemeinsamer Weg gefunden werden, der für alle Teilnehmer akzeptabel ist und mit dem sich jeder identifizieren kann.

  • Loyalität von Mitarbeitern und Geschäftspartnern erhalten

Die Marke des erwerbenden Unternehmens muss attraktiv sein und bleiben. Für die neu hinzugekommene Belegschaft muss das übernehmende Unternehmen Chancen hinsichtlich der Karriere und beispielsweise finanzielle Anreize bieten, um die Loyalität seiner Mitarbeiter zu erhalten. Die Mitarbeiter müssen die Erwartungen des übernehmenden Unternehmens erfüllen können und entsprechend motiviert werden, um diese auch erfüllen zu wollen. Bei einer Fusion gleichrangiger Unternehmen sollte eine Kultur erarbeitet werden, mit der sich alle Mitarbeiter identifizieren können und die nicht zu neu oder fremd erscheint. Beim Zusammenschluss von Tom Tailor und Bonita wurden grundsätzlich die gleichen Produkte (Kleidung) vertrieben und es wurde grundsätzlich dieselbe Zielgruppe (Frauen und Männer einer gemeinsamen Altersgruppe) angesprochen. Die Kulturen der Unternehmen sollten also ähnlich gewesen sein.

  • Wissen und Erfahrung richtig einsetzen

Mitarbeiter aus Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen sollen langfristig harmonisch zusammenarbeiten und den Erfolg des Unternehmens sichern. Hier sind Menschen mit Wissen und Erfahrung in der Führungsebene gefragt, die einen Konsens der Kulturen zustande bringen. Es wird ein Organisationsmodell erstellt, das darlegt, wie sich das neu geschaffene Unternehmen als Einheit auf dem Markt präsentiert. Backoffice-Funktionen werden integriert, kritische Integrationspunkte zwischen den Abteilungen (beispielsweise zwischen Aussendienst und Verkauf oder zwischen Forschung und Produktion) werden behoben. Es wird festgelegt, wie Informationen bestmöglich und zügig weitergegeben und diese gemeinsam und optimal genutzt werden können. Die Mitarbeiter werden derart motiviert, dass sie mit gegenseitigem Vertrauen und Respekt handeln und zum Erreichen der gesteckten Ziele massgeblich beitragen. Nicht die Kultur passt sich dem Verhalten der Mitarbeiter an, sondern die Mitarbeiter akzeptieren die neu gestaltete Unternehmenskultur und handeln dementsprechend. Neue Verhaltensweisen werden nicht als starre Vorschriften gehandhabt, die die Belegschaft demotivieren und an alten Bräuchen festhalten lassen, sondern es wird eine gemeinsame, für alle akzeptable Kultur praktiziert, die zur Schaffung von neuen Geschäftswerten beiträgt und die positive Entwicklung des Unternehmens fördert.

 

Teil 3 – das Fazit – folgt Ende Juni.
 
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